Lobbyismus mittels Unterrichtsmaterial

Die Verbraucherzentrale Bundesverband präsentiert die Studie "Unterrichtsmaterial unter der Lupe. Wie weit geht der Lobbyismus in Schulen?" (pdf hier). Sie untersucht die Qualität von 453 Lehrmaterialien zu den Themenfeldern Finanzkompetenz, Medienkompetenz sowie nachhaltiger Konsum und Ernährung. Eine Zusammenfassung gibt die Presseerklärung des vzbv.
Der Clou der Studie: die Qualitätsprüfung gruppiert die Materialien nach Anbietern: öffentliche Hand, Nichtregierungsorganisationen (NGO), Wirtschaft, Verlage und Autorenmaterial (S. 5) (mehr zum Bewertungsraster hier).
Ein Befund, der Leserinnen und Leser der iböb wenig überraschen wird:
"Erwartungsgemäß schneiden Materialien aus der Gruppe 'Öffentliche Hand' insgesamt am besten ab. Aber auch NGOs weisen eine Tendenz zu überdurchschnittlich qualitativ guten Materialien auf, während jene aus der Wirtschaft zu unterdurchschnittlicher Qualität neigen." (S. 8)
Von allen mit "mangelhaft" benoteten Materialien stammen drei Viertel von der Anbietergruppe Unternehmen, wirtschaftsnahe Interessensverbände und Stiftungen; diese Gruppe stellt aber nur ein Viertel der untersuchten Materialien (S. 13).
Die Studie kommt u. a. zum Ergebnis, dass "private Geschäftsinteressen mit dem öffentlichen Bildungsauftrag vermischt werden und über sogenanntes 'Deep Lobbying' Meinungsmache betrieben wird, um mittel- und langfristig auf das politische Klima einzuwirken." (S. 16). Eine kurze Kommentierung dazu auf den NachDenkSeiten und dort die Anmerkung: "Merkwürdig", dass "nicht die staatlichen Schulbehörden sich um diesen Lobbyismus kümmern".
In vielen Punkten decken sich die Resultate mit den Befunden, die Lobbycontrol in ihrem Diskussionspapier "Lobbyismus an Schulen" vorstellt (hier direkt zum pdf).
Im Deutschlandfunk interviewt Kate Maleike die Verbraucherschützerin Tatjana Bielke "Schule sollte ein werbefreier Raum sein". Das Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen e. V. (iff) freut sich über das gute Abschneiden seines Unterrichtsmaterials und behauptet, "Wissen rechnet sich - finanzielle Allgemeinbildung ohne Werbung möglich!".
Zum Thema Werbung an Schulen berichtet die Neue Südtiroler Tageszeitung über die Forderung der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) nach einer "Tempelreinigung" an einigen öffentlichen Schulen. Denn es "gehe immer mehr in Richtung Einzug des Kommerzes zu Lasten der pädagogischen Inhalte".
Weitere Bewertungen von Unterrichtsmaterialien finden sich im Materialkompass der Verbraucherverbände.