Monokultur des Denkens hemmt den Fortschritt

Silja Graupe, Juniorprofessorin für Philosophie und Wirtschaft an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn, kritisiert in ihrem Beitrag in den VDI-Nachrichten die orthodoxe Volkswirtschaftslehre und deren "wahre Monokultur des Denkens".
Nicht von deren Protagonisten, sondern von den Studierenden gingen wichtige kritische Impulse in der Wissenschaft aus:
"Denken in seiner Vielfalt und Beweglichkeit zu lehren, zur kritischen Reflexion der eigenen Menschen- und Weltbilder sowie zur Verantwortung für das eigene Handeln zu befähigen, das galt einst als Bildungsideal. Zum Glück haben Studenten begonnen, die Ökonomie daran zu erinnern."
Auch die wissenschaftlichen Fachgesellschaften scheinen ein wenig selbstkritischer zu werden. So kritisierten eine Reihe von Referenten bei der Jahrestagung der American Economic Association die intellektuelle Monokultur der eigenen Disziplin: "Zahlreiche Volkswirte kritisierten die Beharrungskräfte der Mainstream-Ökonomen. 'Wir brauchen eine Ära von Glasnost und Perestroika an den Universitäten, und die Fachzeitschriften müssen ihre Tore für unorthodoxe Ansätze öffnen', forderte Galbraith", schreibt Olaf Storbeck in seinem Beitrag "Wie bei den Anonymen Alkoholikern" im Handelsblatt.
Die orthodoxe Strömung der Wirtschaftsdidaktik hat hier ebenfalls Nachholbedarf, um ihre stromlinienförmig an den volkswirtschaftlichen Mainstream angepassten Konzepte ökonomischer Bildung zu modernisieren. So ist etwa die Kritik auf der AEA-Tagung, die "Märkte sind bei weitem nicht so effizient und stabil wie angenommen" dort eben so wenig angekommen, wie die Erkenntnis, dass viele ökonomische "Theorien auf extrem fragwürdigen Annahmen basieren".
"Große Teile des Fachs machen nach der Finanzkrise aber weiter, als wäre nichts passiert". Dieses Diktum über die Vorbilddisziplin Volkswirtschaftslehre gilt auch für Strömungen der Wirtschaftsdidaktik. Das zeigen exemplarisch die Neuauflage der Unterrichtseinheit "Finanzielle Allgemeinbildung" [pdf 5,4 MB] von Handelsblatt und IÖB Oldenburg aus dem Jahr 2011 sowie das Gutachten "Ökonomische Bildung an allgemeinbildenden Schulen" [pdf 2,6 MB] (2010), in dem Wirtschaftsverbände und Wirtschaftsdidaktiker ihren festen Glauben an die Effizienz als das Kerncharakteristikum ökonomischen Denkens bekennen und diesen Glauben an die Schülerinnen und Schüler weitergeben möchten.