Straubhaar: "Das Ende des ökonomischen Imperialismus"

In einem Interview in der Financial Times Deutschland unter dem Titel "Schluss mit dem Imperialismus der Ökonomen" vom 6.3.2012 geht der Volkswirt und Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, mit der Disziplin der Volkswirtschaftslehre, ihrer Orthodoxie, ihrer Überheblichkeit und ihrer Realitätsferne, hart ins Gericht.
Straubhaar konstatiert, das "Ansehen der Ökonomie hat durch die Krise zu Recht drastisch nachgelassen". Er fordert dringend mehr Bescheidenheit und verlangt von den Ökonomen, dass sie sich "stärker einreihen in die Riege von Sozialwissenschaftlern, Ökologen, Historikern, Psychologen".
Die typische Überheblichkeit der Volkswirtschaftslehre verhindere "die Erneuerung der Lehre", so Straubhaar, denn Ökonomen müssten "viel mehr mit Historikern, Psychologen und Soziologen zusammenarbeiten". Nützlich sei die Ökonomie für die Politik nur, wenn es ihr gelinge, "neue Erkenntnisse zu Politikempfehlungen umzuformen, was nur in interdisizplinären Teams geht".
Straubhaar spricht aus, was viele Nachwuchswissenschaftlerinnen aus eigener Erfahrung mit den ihnen vorgesetzten Professorinnen und Professoren wissen, aber nicht sagen können: "für die Karriere junger Wissenschaftler ist neues Denken nicht unbedingt gut".
Schade, dass die orthodoxe Strömung der Wirtschaftsdidaktik mit ihren am Mainstream der Volkswirtschaftslehre ausgerichteten Vorschlägen zu Standards, Kompetenzen und Schulfachstrukturen in genau die entgegengesetzte Richtung marschiert.
Vor dem Hintergrund der wachsenden Kritik und Selbstkritik an der und in der Volkswirtschaftslehre wird der orthodox ausgerichtete Teil der Wirtschaftsdidaktik mit seiner engen Konzeption für ein Schulfach "Wirtschaft" der ökonomischen Bildung nachhaltig schaden. Das gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil er die Interdisziplinarität in Schule und Studium nicht nur ablehnt, sondern explizit ihre Abschaffung fordert.
Reinhold Hedtke