Sieghart Neckel. Flucht nach vorn

Der Soziologie Sighard Neckel (Universitäten Wien und Frankfurt/Main) präsentiert in seinem 2008 im Campus-Verlag erschienenen Buch "Flucht nach vorn" kultursoziologische Studien zur Vermarktlichung der Gesellschaft, die vor allem die Selbsttäuschungen und Paradoxien der heutigen Erfolgskultur aufdecken:
"Wer aber 'die Gesellschaft auf nichts als einen riesigen Handels- und Tauschapparat reduziert' (Durkheim 1986: 55), der schafft mindestens so viele Nöte und Schwierigkeiten, wie er meint, durch den Markt beheben zu können. Öffentliche Güter verfallen oder werden nicht mehr bereitgestellt, während Märkte ihre Folgekosten in Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie auf die Allgemeinheit verlagern. Einer politischen Selbstauslegung des Gemeinwesens, die als angewandte Betriebswirtschaftslehre auftritt, tut dies wenig Abbruch. Ebenfalls nicht der Inszenierung von Arbeitslust und Wettbewerbsfreude, die versucht, aus dem Zwang, sich durchsetzen zu müssen, eine selbstgewählte kulturelle Lebensform zu basteln. In ihr schicken sich die Haushalte an, zu Betrieben zu werden, Personen zu Marken und Bürger zu Kunden. Unfähig, die gesellschaftlichen Probleme zu lösen, welche der Markt hinterlässt, tritt der kulturelle Kapitalismus unserer Zeit im Erfolgskult die Flucht nach vorn in eine Lebensform an, in der das Ökonomische mehr oder minder subtil das Handeln, die Gefühle und die Sinnwelten regiert." (S. 10)