Multiperspektivität und Pluralismus in VWL und BWL

Seil langem verfolge ich die intensiven Bestrebungen „der Wirtschaft“ durch Netzwerke wie „Schule-Wirtschaft“ und die kostenlose Verteilung von Unterrichtsmaterialien an Schulen Einfluß auf die ökonomische Bildung an Schulen zu gewinnen, mit Sorge und Misstrauen. Nicht bekannt waren mir dagegen die fachwissenschaftlich elaborierten Bildungsstandards der Deutschen Gesellschaft für ökonomische Bildung und die Aktivitäten der Initiative für eine bessere ökonomische Bildung. …

Ihrer Kurzexpertise stimme ich inhaltlich in allen Punkten zu und freue mich über die prägnante Argumentation und die freimütige Kritik. Ich habe lediglich an ein paar Stellen Anmerkungen zur Diktion, die nicht immer deutlich macht, dass es nicht nur interdisziplinär sondern auch intradisziplinär – innerhalb der Volkswirtschaftslehre und der Betriebswirtschaftslehre – „Multiperspektivität“, „Pluralismus“ und paradigmatisches „Vergleichen“ (vgl. S. 12) gibt. Diese Tatsache wird lediglich auf S. 10 angedeutet, wo es heißt: „Ginge es nach den Wirtschaftsverbänden, würde sich ökonomische Bildung nur auf den Mainstream der Volkswirtschaftslehre und auf die mikroökonomische Lehrmeinung der Betriebswirtschaftslehre beziehen.“ 

Ich hätte also schon auf S. 3 gerne gelesen: Das Gutachten der Wirtschaftsverbände „ist wissenschaftlich und politische einseitig, indem es eine einzige Welt-Anschauung für alle(s) propagiert, einseitig Partei für eine auf shareholder-Interessen verengte privatwirtschaftliche Unternehmerperspektive ergreift und Markteffizienz als dominantes Bewertungskriterium bevorzugt.“

Auf S. 8 hätte anstatt der „Denkmuster von Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre“ differenzierend auf die Denkmuster einer marktradikalen neoklassischen Volkswirtschaftslehre und einer zur (allein an shareholder-Interessen orientierten) Privatwirtschaftslehre verkümmerten Betriebswirtschaftslehre verwiesen werden können.

Auf S. 12 hätte man schreiben können: Dieses im Sinne des mainstream theoretisch verengte und überdies normative überhöhte Schulfach zwingt dazu, Welt und Wirtschaft ausschließlich mit einem einzigen auch in der Einzelwissenschaft umstrittenen Denkmodell zu interpretieren und zu bewerten. …

Als unmittelbar betroffener (und nicht selten auch diskriminierter) Fachvertreter fühle ich mich immer wieder veranlasst, zu betonen, dass es auch in der Volkswirtschaftslehre (sogar in Deutschland!) und in der Betriebswirtschaftslehre (sogar in Deutschland!) wissenschaftliche Multiperspektivität und Pluralismus gibt.