Wider die ökonomische Monokultur

Im Wirtschaftsteil der Druckausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 16.6.2014 fordert die Ökonomin und Philosophin Silja Graupe, "die ökonomische Lehre darf sich nicht blind einer Weltsicht verschreiben". Sie verlangt "Perspektiv- und Methodenvielfalt" und wendet sich gegen die "extreme Einseitigkeit der ökonomischen Lehre", die Folge des "ökonomischen Imperialismus" sei. Schon am 26.5.2014 berichtete Süddeutsche.de über "Kritische Wirtschaftsstudenten", die sich "wider die traditionelle Lehre" wenden.
Der Imperialismus präge auch Teile der ökonomischen Bildung. Diese solle, so zitiert Graupe den US-amerikanischen Council for Economic Education, "'unveränderliche Denkstandards prägen', mit denen Menschen die 'Myriaden von Problemen' ihres Lebens lösen sollen". Tatsächlich aber würde "der ökonomische Mainstream seine hoch abstrakten Annahmen 'schonungslos und unnachgiebig' auf jedes soziale Phänomen" anwenden, wie Gary S. Becker explizit fordere.
Die Mainstreamökonomik, so der amerikanische Journalist und Publizist Walter Lippmann, einer "der Begründer des Neoliberalismus", könne "ein 'fest gefügtes Bild der menschlichen Natur und Gesellschaft' im Verstand verankern. Ihr 'Expertentum' schiebt sich stillschweigend 'zwischen den Bürger und seine Lebensumstände', so dass dieser Fakten weder sehen noch bewerten kann".
Silja Graupe ist Mitgründerin der Cusanus Hochschule in Gründung - Motto "Der freie Geist bewegt sich selbst" - und war bisher Professorin an der privaten Alanus-Hochschule und der Kueser-Akademie.
In ihrem Artikel "Ökonomische Bildung: Die geistige Monokultur der Wirtschaftswissenschaft und ihre Alternativen" (in: Coincidentia, Beiheft 2, 2013, 139-165; hier als pdf) untersucht Graupe u. a. Ideologie, Politik und Einfluss des Council for Economic Education (CEE), auch in Europa. So sei der Wirtschaftskundliche Bildungs-Test (WBT) "eine bloße Adaption des Test of Economic Literacy". Sie weist nach, dass es um eine einseitige Prägung des Denkens und Weltbilds der Jugendlichen geht und zitiert den CEE:

„Fast alle ökonomischen Prinzipien gründen auf Annahmen. Würde man
alle diese Annahmen stets nennen, so schmälerte dies die Wirksamkeit der
Standards. Man überließe dem Leser die Verantwortung, die Grundsätze
[die Voraussetzungen, SG] von den Annahmen zu unterscheiden.“ (Graupe 2013, S. 155).

Damit, so Graupe, "zielt die ökonomische Standardlehre also gerade nicht auf Vernunft, Einsicht und Kritikfähigkeit, sondern, wie es Hans Domizlaff, Begründer der Markentechnik formuliert, auf bloße 'Richtungsänderungen durch gedanklichen Nahrungswechsel im Sinne einer Dressur'.“ (Graupe 2013, S. 156)