Interdisziplinarität und Kontroversität

Dementsprechend scheint das TINA-Prinzip („There´s no alternative!“; Pierre Bourdieu) nicht nur in der Politik, sondern ebenso in der Praxis des (wirtschaftlichen) Unterrichts begeisterte Anwendung zu finden. So wird dann beispielsweise in der Schule gelehrt, dass die soziale Marktwirtschaft der Gefahr von Instabilitäten ausgesetzt ist und Inflation oder Krisen „ganz normale“ Merkmale des hiesigen Wirtschaftssystems sind. Es erfolgt somit eine Vermittlung von Ökonomie in der Gestalt einer Naturwissenschaft, deren Tenor es ist, dass Krisen zu einer Wirtschaft wie der Donner zum Blitz gehören, und nicht einer Gesellschaftswissenschaft.

Eine breite Diskussion hierüber, ob der Mangel im System selbst stecke, wurde von den Massenmedien bisher systematisch ausgeblendet, obwohl diese Diskussion bereits schon einige Jahre im wissenschaftlichen Bereich stattfindet (Prof. Joseph E. Stiglitz, Prof. Bernd Senf, Prof. Joseph Huber, Prof. Meinhard Miegel u.v.m.). Getreu dem Wissenschaftsprinzip – dem Schule unterstellt sein sollte – plädieren wir für eine Aufnahme dieser Diskussion in den schulischen Kontext.

Es gilt hierbei eine „Kehrtwende“ einzuleiten bzw. zu stärken und Impulse dahingehend zu setzen, dass ökonomische Bildung kontrovers und interdisziplinär vermittelt wird, so wie es in der politischen Bildung bereits seit Jahren Usus ist. So sollte die momentane Krise dazu genutzt werden, sie als Chance zu begreifen und fundamentale systemische Strukturen und Mechanismen zu hinterfragen. Kindern und Jugendlichen dürfte dieser Prozess sogar besser gelingen als Erwachsenen, da ihre Wirklichkeitskonstruktionen noch im Aufbau begriffen sind.

So sei der Appell an alle Lehrende der Ökonomie und/oder Gesellschaftskunde gerichtet, sich neue Denkweisen einzugestehen und diese bei den Lernenden zu aktivieren sowie die Prinzipien „Interdisziplinarität und Kontroversität“ zu verinnerlichen, selbst wenn sie Gefahr laufen, hierfür von Verfechtern, die ein marktaffines Unterrichtsfach „Ökonomie“ bevorzugen, diffamiert zu werden.8 So darf es innerhalb des Unterrichtsgeschehens nicht darum gehen, Meinungen und Ideologien der Ökonomie zu verhärten, sondern Urteile und Kontroversen ihrer Erscheinungen zu diskutieren. So schließen wir uns der Meinung von Dirk Lange an, dass zukünftig ein Unterricht über die Wirtschaft bzw. wirtschaftliche Sachverhalte und nicht für die Wirtschaft stattfinden muss.